Klimapuffer Ozean
Der Ozean nimmt etwa ein Viertel des von Menschen freigesetzten Kohlendioxids auf. Gäbe es diese natürliche „Senke" nicht, würden größere Mengen des Treibhausgases in der Atmosphäre verbleiben und sich unser Planet viel stärker aufheizen, als wir es heute feststellen.
Die Kehrseite der Medaille: Im Meerwasser reagiert das Kohlendioxid zu Kohlensäure. Der pH-Wert des Wassers sinkt – es wird saurer. Als weitere Folge verringert sich die Konzentration der Karbonat-Ionen. Doch genau diese benötigen kalkbildende Lebewesen wie Plankton oder Korallen für ihr Wachstum.
Sauer macht kalkarm
Laborstudien der Kieler Meeresforscher mit isolierten Arten zeigen, dass einzellige Kalkalgen, sogenannte Coccolithophoriden, im sauren Wasser weniger Kalk produzieren und leichter bleiben. Unter Extrembedingungen lösen sich die kleinen Kalkplättchen der Art Calcidiscus leptoporus auf. Auch die Art Emiliania huxleyi lagert in saurem Wasser zunächst deutlich weniger Kalk ein. Über mehrere Generationen hinweg setzen sich aber widerstandsfähigere Genotypen durch und neue Mutationen entstehen. So kann die Alge die Negativeffekte der Versauerung teilweise kompensieren.
Die Folgen des Klimawandels am Meeresgrund
Durch den Klimawandel steigt die Temperatur im Ozean, der pH-Wert verringert sich, der Ozean wird saurer. Das wiederum beeinträchtigt den Kalkbildungsprozess von Organismen und verlangsamt das Wachstum vieler tropischer Korallen.
Gilt das auch für Kaltwasserkorallen in den finsteren Tiefen der Meere? Die Art Lophelia pertusa hielt im Laborversuch einer zunehmenden Versauerung stand, solange ausreichend Nahrung zur Verfügung stand. Die Auswirkungen höherer Wassertemperaturen und saurerem Wasser auf die Steinkoralle untersuchten Kieler Meeresbiologen.
Um die Übertragbarkeit ihrer Laborergebnisse auf die natürlichen Verhältnisse zu überprüfen, richteten Wissenschaftler des GEOMAR im Juli 2013 ein Langzeit-Observatorium in dem norwegischen Fjord ein, aus welchem die Proben für die Laborversuche stammen. Ein weiteres Ziel der Studie ist die Erforschung der Wechselwirkung zwischen den Lebewesen.
Ökosystem im Reagenzglas
Mesokosmen bilden das komplexe marine Ökosystem im Kleinen ab. Wie in übergroßen Reagenzgläsern beobachten Forscher die Veränderungen ganzer Lebensgemeinschaften durch die Versauerung der Ozeane. Arbeiten der Kieler KOSMOS-Mesokosmen belegten, dass kleinste Plankton-Organismen von der Versauerung profitieren. Ihre gesteigerte Produktivität könnte das gesamte Nahrungsgefüge auf den Kopf stellen. Außerdem wandert weniger weniger Kohlenstoff in den tiefen Ozean und die Produktion des klimakühlenden Gases Dimethylsulfid lässt nach.
Dass sich Beobachtungen aus dem Labor nur schwer auf natürliche Gemeinschaften übertragen lassen, zeigt eine Mesokosmen-Studie in Norwegen: Während die Kalkalge Emiliania huxleyi im Laborexperiment in saurem Wasser nur geringe Einbußen in der Wachstumsrate zeigt, kann sie sich in ihrer natürlichen Umgebung bei vergleichbaren Bedingungen nicht durchsetzen, wenn sie mit anderen Algen in Konkurrenz steht und Fraßdruck oder Viren ausgesetzt ist.