Sedimentkerne - ein Blick in die Geschichte einer Region
Sedimente sind ein einzigartiges Archiv der geologischen und ökologischen Entwicklung einer Region. In Schichten bilden sie sich über tausende von Jahren. Sie speichern Informationen über die Entstehung von Landschaften, über Umweltbedingungen und über die Besiedelung durch Organismen. Auch der Mensch beeinflusst die natürliche Entwicklung der Küsten. Doch was sind die Konsequenzen? Um die Folgen beispielsweise von Baumaßnahmen besser einschätzen zu können, benötigen Forscher umfassende Kenntnisse über die natürliche Entwicklung einer Küste. Erst, wenn dieses Wissen vorliegt, lässt sich etwas über ihre Zukunft sagen.
Die Landschaftsgeschichte des Parnaiba Deltas im Sedimentkern
Seit Jahren forschen deutsche und brasilianische Wissenschaftler gemeinsam an der Küste von Brasilien, mit dem Schwerpunkt ihrer Entwicklung seit der letzten Eiszeit, als der Meeresspiegel etwa 120 Meter unter dem heutigen lag. Darüber hinaus untersuchen die Forscher die Reaktion der Küsten auf natürliche und anthropogene Veränderungen. Ihr Arbeitsgebiet sind Flussmündungen entlang der Nordostküste Brasiliens, darunter solche die durch den Menschen beeinflusst wurden und solche, die weitgehend unberührt geblieben sind, wie das Parnaiba Delta.
Der hier ausgestellte Sedimentkern wurde mit einem leicht transportablen Vibrationskernbohrgerät entnommen und stammt aus dem nordbrasilianischen, dünn besiedelten Parnaiba Delta. Vor etwa 5.900 Jahren erreichte der Meeresspiegel hier einen Höchststand, der rund 1,20 Meter über dem heutigen Niveau liegt. Danach sank der Wasserstand kontinuierlich ab. Der Sedimentkern zeigt auf einer Länge von 3,10 Metern die Ablagerungsgeschichte der vergangenen 2.000 Jahre. Mit der Radiokarbonmethode können Wissenschaftler das Alter eines Holzstückes bestimmen, das sie in 1,96 Metern Tiefe gefunden haben. Es ist rund 1.400 Jahre alt. In den Ablagerungen zeigt sich auch die Veränderung einer Landschaft, in der sich das Flussdelta langsam ins Meer vorschiebt. Die Sedimente im unteren und damit älteren Teil des Kerns im Bereich zwischen 3,10 und 2,20 Metern sind sandig, was auf eine küstennahe Sedimentation schließen lässt. Die darüber liegenden Wechsellagen von sandigen und tonigen Sedimenten (2,20-0,73 Meter) deuten auf eine anschließende Lagunenbildung hin. Möglicherweise hatte sich ein Sandhaken vorgebaut, der zu einer Wasserberuhigung führte. Die Lagune verlandete in späteren Zeiten zunehmend (0,73-0Meter, Holzstücke deuten auf Mangroven hin)
Die Arbeitsgruppe Sedimentologie, Küsten und Schelfgeologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel forscht an den Küsten im Nordosten Brasiliens, aber auch an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste. Die Lagunenentwicklung im Parnaiba Delta ist in etwa vergleichbar mit der Entwicklung im Schutze des Sandhakens Bottsand, nordöstlich von Laboe am Eingang der Kieler Förde.
Abgrenzung Küste
Verschiedene Fachgebiete definieren Küstenräume – die Übergangsbereiche zwischen Land und Meer - unterschiedlich. Für Geowissenschaftler sind Küsten der durch Gezeiten beeinflusste Streifen zwischen Dünen und angrenzendem Meer bis 200 Meter Tiefe. Für Völkerrechtler reicht das Küstenmeer mit seinen Hoheitszonen bis zur 12. Seemeile. Zur landseitigen Abgrenzung fasst man in der Wissenschaft häufig alle Küstenniederungen zusammen, die bis 10 Meter über Normalnull (NN) liegen und dem Meer angeschlossen sind. Oder man betrachtet eine größere Küstenregion mit den auf die spezielle Lage zwischen Land und Meer ausgerichteten Aktivitäten, wie Fischereiwirtschaft oder Strandtourismus.
Küste - Spannungsfeld zwischen Mensch und Umwelt
Die weltweiten Küstengebiete besitzen vielfältige natürliche Formen sowie einen einzigartigen Artenreichtum mit wichtigen ökologischen Funktionen. Dem Menschen bieten sie eine Fülle von Ressourcen und Dienstleistungen. Küsten zählen zu den am dichtesten besiedelten und am intensivsten genutzten Räumen auf der Erde. Die zunehmende Besiedlung, Hafen- und Industrieausbau, Tourismus, Abholzung von Küstenwäldern, Aufstauen von Flüssen und Einleitung von Abwässern haben wiederum weitreichende Folgen für den Naturraum Küste – und damit auch für den Menschen, der von den natürlichen Ressourcen lebt.
Nachhaltige Entwicklung der Küstenzone
Ein sogenanntes Integriertes Küstenzonenmanagement (IKZM) soll Nutzungsdruck und Interessenkonflikte reduzieren. Durch gezielte Maßnahmen werden die vielfältigen Aktivitäten und Interessen im Küstenraum besser aufeinander abgestimmt und eine nachhaltige Entwicklung der Region unterstützt: Ökonomische, ökologische und soziale Aspekte finden gleichermaßen Berücksichtigung unter Beteiligung der Öffentlichkeit; das heißt, die Küstenbewohner werden informiert und bestimmen mit. Viele Länder – darunter auch Deutschland und Brasilien – haben in den letzten 10 bis 15 Jahren nationale und regionale IKZM-Strategien entwickelt.